Neuerscheinung: Die Poesie der Klasse. Von Patrick Eiden-Offe
4. August 2017
Romantischer Antikapitalismus und die Erfindung des Proletariats
Berlin: Matthes und Seitz 2017
Zitation
Mit der Durchsetzung des Kapitalismus und der Industrialisierung entsteht im frühen 19. Jahrhundert aus verarmten Handwerkern, städtischem Pöbel, umherziehenden ländlichen Unterschichten, bankrotten Adligen und nicht zuletzt freigesetzten prekären Intellektuellen jenes neue soziale Kollektiv, das man in der Sprache der Zeit bald das Proletariat nennen wird. Allerdings existierte dieses zunächst noch nicht als formierte, homogene Klasse mit angeschlossenen politischen Parteien, die den Weg in die bessere Zukunft vorgeben.
Die buntscheckige Erscheinung, die Träume und Sehnsüchte dieser allen ständischen Sicherheiten entrissenen Gestalten fanden neue Formen des Erzählens in romantischen Novellen, Reportagen, sozialstatistischen Untersuchungen, Monatsbulletins. Doch schon bald wurden sie – ungeordnet, gewaltvoll, nostalgisch, irrlichternd und utopisch, wie sie waren – von den Vordenkern der Arbeiterbewegung als reaktionär und anarchisch verunglimpft, weil sie nicht in die große lineare Fortschrittsvision passen wollten.
In seiner bahnbrechenden Studie verhilft Patrick Eiden-Offe dem lange verdrängten romantischen Antikapitalismus zu seinem Recht und befreit die Sozial- und Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts aus ihren eindimensionalen Sichtachsen. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass die historische, poetisch besungene unordentliche Klasse den heutigen Figuren von Prekarität nach dem Ende der alten Arbeitsgesellschaft verblüffend ähnlich ist. (Verlag)
In den Medien
„Klassenkampf braucht Mythos“
Im Gespräch: Der Kulturwissenschaftler Patrick Eiden-Offe hat die Bedeutung von Kunst und Poesie für die Arbeiterbewegung erforscht. Von Lennart Laberentz
Der Freitag, 3. August 2017
PD Dr. Patrick Eiden-Offe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung ZfL Berlin. Der vorliegende Band ist seine überarbeitete Habilitationsschrift, die u.a. während seines Fellowships am Kulturwissenschaftlichen Kollegs Konstanz im WS 2014/2015 entstanden ist. Der Exzellenzcluster hat das Erscheinen des Buches gefördert.